Für eine neue & beziehungsstarke Lernkultur in der Schule

Daran hatte ich gar nicht gedacht!

Als ich letzte Woche unsere Kinder in die Kita gebracht hatte, unterhielt ich mich mit einer anderen Mutter auf dem Parkplatz. Ich erwähnte, dass ich die Zeit vormittags für meinen Blog nutze, wenn unser Baby schläft.

„Ach, du hast einen Blog? Worüber schreibst du denn?“

„Über die beziehungsstarke Lernkultur in der Schule. Also darüber, wie wir die Beziehungen und damit auch das Lernen der Kinder und die Arbeit der Lehrer:innen stärken können.“

„Das interessiert mich, was ist denn da besonders wichtig?“

Ich fing an zu erzählen und mir fiel auf, dass ich auf dem Blog noch keinen Artikel habe, der das Thema zusammenfasst! Also habe ich die letzten Vormittage genutzt und das Wichtigste aus knapp 50 Artikeln für dich zusammengetragen.

Was eine beziehungsstarke Lernkultur ausmacht, wie alle Seiten davon profitieren und welche konkreten Ideen du umsetzen kannst, erfährst du in diesem Blogartikel.

Was bedeutet ‚beziehungsstark‘?

Alle werden gesehen: inspirierte Lehrer:innen, motivierte Schüler:innen und gelassene Eltern. Sie stehen alle in Beziehung zueinander.

Die Beziehungsqualität ist wichtig für erfolgreiches Lernen. Das ist spätestens seit der Hattie-Studie bekannt. Sie beeinflusst auch die Gesundheit der Menschen in der Schule.

Es gilt der Grundsatz: Bindung vor Bildung!

Diese Überlegungen helfen dabei, ins Handeln zu kommen:

  • Was beeinflusst deine Fähigkeit, starke Beziehungen in der Schule aufzubauen?
  • Welche bisherigen Standpunkte müsstest du über Bord werfen, damit Wertschätzung und Vertrauen einziehen dürfen?
  • Welche neuen Lösungen werden dann möglich?

Ein Schlüssel ist Persönlichkeitsentwicklung. Persönlichkeitsentwicklung bedeutet, dass du alte, übernommene Standpunkte hinterfragst.

Stattdessen nimmst du solche ein, die für Erwachsene und Kinder in der Schule funktionieren. Das ist das Neue daran ?

Was ist eine Lernkultur?

Diese Definition nimmt alle Beteiligten in den Blick:

„Lernkultur bezeichnet … die Gesamtheit der Lern- und Entwicklungspotentiale, die über das Zusammenwirken der Mitglieder in Interaktions- und Kommunikationsprozessen auf unterrichtlicher, kollegialer und organisatorischer Ebene arrangiert werden.“

Arnold, Rolf; Schüßler, Ingeborg (1998): Wandel der Lernkulturen. Ideen und Bausteine für ein lebendiges Lernen, S. 4.

Sowohl die Kinder und Jugendlichen lernen, als auch die Erwachsenen. Dadurch entsteht eine lernende Schule. Eine Lernkultur herrscht nicht nur im Unterricht, sondern prägt das gesamte Schulleben. Sie bietet deshalb einen orientierenden Rahmen für alle.

„Diese Orientierungsfunktion bleibt … so lange erhalten, solange die der überlieferten Lernkultur zugrundeliegenden Normen, Werte und Deutungsmuster von den Lehrenden und Lernenden geteilt werden.“

ebd. S. 6.

Und genau darum geht’s hier!

Ist Beziehungsorientierung in der Schule wichtig, kann eine beziehungsstarke Lernkultur entstehen.

Lehrer:innen, Schulleitung und Eltern sind verantwortlich für die Beziehungsqualität.

#1 Persönlichkeitsentwicklung der Lehrer:innen

In der aktuellen Schuldiskussion stehen vor allem methodische Fragen im Fokus. Digitalisierung wird als Lösung für erfolgreiches Lernen gefeiert.

Dabei tritt etwas Wichtiges in den Hintergrund. Lehrer:innen handeln nach Überzeugungen, die ihnen meist nicht bewusst sind und die durch keine äußere Reform ersetzt werden können.

Die innere Reform geht der äußeren voraus. Deshalb ist Digitalisierung allein keine Lösung. Tradierte Vorstellungen von Lernen, Lehrerrolle und Kontrolle müssen ebenso weiterentwickelt werden. Lehrer:innen beginnen erst einmal bei sich selbst.

  • Welche Überzeugungen haben sie über sich als Lehrer:innen?
  • Welche Schlussfolgerungen haben sie in ihrer eigenen Schulzeit und später im Beruf über sich gezogen?
  • Wie selbstwirksam fühlen sie sich?

Die eigenen Selbstwirksamkeitserwartungen stehen schließlich im Zusammenhang mit Burnout!
Genauso wichtig ist, welches Bild sie von Schüler:innen haben. Das wirkt sich einerseits auf die Beziehung aus, andererseits hängen davon auch die Leistungen der Kinder und Jugendlichen ab. Darauf gehe ich in diesem Artikel näher ein: „Lästerpäuschen im Lehrerzimmer – wie sehen wir Jugendliche?“

#2 Ausrichtung ist wichtig

Macht sich eine Schulgemeinschaft auf den Weg, ist eine Vision ihrer zukünftigen Schule hilfreich. Wohin soll die Route führen? Wenn ab heute alles so eintritt, wie sich die Schulgemeinschaft das wünscht, wie wäre Schule und ihr Wirken?

Die Schulleitung hat die Kapitänsmütze auf und steuert das. Sie stärkt dabei dem Kollegium den Rücken, d.h. sie steht hinter den Lehrer:innen statt vor ihnen. Dafür braucht sie Vertrauen und Power.

Die gemeinsame Vision ist wie ein Anker, den die Schulgemeinschaft in die Zukunft wirft. Sie ermöglicht es, inne zu halten, wenn es stürmisch zugeht und dran zu bleiben, wenn Flaute herrscht.

Aus dieser Vision können Lehrer:innen ihren Beitrag ableiten. Günstig ist dabei eine Absicht, die über das eigene Wohl hinausgeht. Dann geht es nicht mehr um das Ego und Lehrer:innen können wirklich einen Unterschied machen. Mehr liest du dazu in meinem Artikel „Wieso bist du Lehrer:in?“.

Ja, ich kenne die Gegenargumente, die nun in deinem Kopf auftauchen 🙂 Das funktioniert an deiner Schule noch nicht, weil das Kollegium keinen gemeinsamen Nenner hat? Oder weil deine Schulleitung mit Druck und Misstrauen kontrolliert und damit kein Klima für Weiterentwicklung schafft?

Ja, das gibt’s. Dann bist du verantwortlich für deine Vision im Schulalltag. Und wer weiß, wen du damit ermutigst, es dir gleich zu tun!

#3 Moral über Bord werfen!

Schulen haben eine riesige Ladung Moral an Bord und sind deshalb oft mühsam unterwegs. Zum Glück kann dieses Gewicht abgeladen oder über Bord geworfen werden ? Für eine Lernkultur im Wandel brauchen wir Bewegungsspielraum.

Moral zwingt uns dazu, in Richtig und Falsch zu denken und nur einen Lösungsweg anzuerkennen. Meistens unseren eigenen. Lernkultur ist das Gegenteil von Fehlerkultur. Kinder dürfen Fehler machen und Lehrer:innen Neues ausprobieren. Das ist möglich, wenn Ergebnisse nicht gegen sie verwendet werden. Diese Fragen sind hilfreich:

  • Wie reagierst du auf deine eigenen Fehler?
  • Machst du dich klein? Oder nutzt du sie, um herauszufinden, wie es klappt?
  • Wie gehst du mit Fehlern deiner Schüler:innen oder Kolleg:innen um?

Am Beispiel von Klassenregeln zeige ich, wie du althergebrachtes moralisches Denken hinterfragen und eine beziehungsstarke Lösung finden kannst.

Sind Fehler Helfer?

Ein großer Bereich ist außerdem die Leistungsbeurteilung. Im Moment begegnet mir auf Instagram der Satz „Fehler sind Helfer“. Die Idee ist an sich großartig, darf aber nicht zur Phrase werden.

Das stimmt nämlich nur, wenn du es bei Noten und Rückmeldungen konsequent durchziehst! Wenn ein Kind im Unterricht Fehler machen darf, auf dem Zeugnis aber trotzdem eine Fünf hat, sind Fehler für dieses Kind garantiert keine Helfer. Du merkst gerade, dass ich mit Noten auf Kriegsfuß stehe, oder??

Was ich sagen möchte: Eine neue Lernkultur berücksichtigt das. Du fügst z.B. eine ergänzende Rückmeldung der Note hinzu oder ihr schafft an deiner Schule Noten teilweise ab. Es gibt einige Alternativen, die schon umgesetzt werden! So sind Fehler auch wirklich Helfer.

#4 Macht für andere einsetzen

Lehrer:innen haben die Macht! Sie haben die Macht, ihre Schüler:innen zu stärken oder zu schwächen. Tatsächlich haben sie keine Wahl, ob sie Macht einsetzen oder nicht. Sie tun es immer.

Lehrer:innen tragen die volle Verantwortung. Sie führen, auch wenn sie nicht führen können oder wollen.

Ulrike Kegler

Wenn du eine negative Meinung über Macht hast, willst du sie nicht nutzen. Im Umgang mit Schüler:innen oder Schuleltern funktioniert das aber nicht. Deine Macht kannst du für andere einsetzen statt gegen sie. Dazu liest du in diesem Artikel mehr: „Sollten Lehrer:innen sich bei Schüler:innen entschuldigen?“

Abonniere meine Beziehungspost und bleibe auf deinem beziehungsstarken Weg!

#5 Mehr Gelassenheit für Schuleltern

Nicht nur die Beziehung zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen ist wichtig. Beim Stichwort ‚Elternarbeit‘ wird vielen Lehrer:innen schon ganz anders. By the way: Wieso eigentlich Elternarbeit? Da ist der Name doch Programm! ‚Beziehung zu Schuleltern‘ trifft es doch besser, oder?

Die Meinung über das Gegenüber bestimmt, wie wir kooperieren. Deshalb lohnt es sich für beide Seiten, ihre Überzeugungen zu hinterfragen. So wird der Elternsprechtag entspannter.

Eltern ermöglichen ihren Kindern eine gute Schulzeit, wenn sie ihre eigenen Erfahrungen nicht auf sie übertragen. Dazu zählt auch ihre Meinung über Mathe, Latein und weitere ‚Hassfächer‘. Im Artikel „5 Impulse für mehr Gelassenheit“ gehe ich intensiv auf die Situation von Schuleltern ein.

#6 Lernlust statt Lernfrust

Vielleicht wunderst du dich, dass es in diesem Artikel zur Lernkultur jetzt erst um’s Lernen geht? Berücksichtige, dass all die oben genannten Punkte einen immensen Einfluss auf das Lernen der Schüler:innen haben!

Es geht nicht nur um neue Methoden, wenn wir eine neue Lernkultur aufbauen. Es geht in erster Linie um Haltung, Selbstreflexion und den Mut, die eigenen Meinungen zu revidieren. DANN fallen uns alternative Wege für mehr Freude beim Lernen ein.

Gleichzeitig müssen wir sehen: Wenn Kinder und Jugendliche schon viel Erfahrung im bisherigen Schulsystem gesammelt haben, bringen sie ihre eigenen Schlussfolgerungen mit.

Sie haben Glaubenssätze über sich selbst, über Lernen, Schule, Lehrer:innen, Mitschüler:innen usw. im Gepäck.

Wollen wir Schule weiterentwickeln, müssen wir die Schüler:innen an Bord holen.

Das heißt, Persönlichkeitsentwicklung ist genauso wichtig für sie wie für uns Erwachsene.

Sie dürfen sich z.B. solche Fragen stellen:

  • Was denke ich über mich, wenn ich eine bestimmte Note habe?
  • Wie erlebe ich Schule meistens?
  • Was kann ich richtig gut?
  • Was würde ich gerne lernen?

#7 Glaubenssätze und Ziele als Unterrichtsthemen

Lerncoaching wird in der beziehungsstarken Lernkultur nicht extra angeboten. Es wird auch nicht auf eine Projektwoche reduziert.

Lerncoaching und Persönlichkeitsentwicklung sind Teil des Unterrichts.

Ich reflektiere mit meinen Kursen z.B. vor Klassenarbeiten Aussagen wie „Das kann ich nicht“ oder „Latein ist zu schwer für mich“.

Zum (Halb-)Jahresstart formulieren wir gemeinsam smarte Ziele für einen Lebensbereich ihrer Wahl. Dafür nutzen wir das Lebensrad.

In einer Vertretungsstunde kam ich mit der 9e darüber ins Gespäch, wie sie Schule erleben. Ich zeigte ihnen eine großartige Möglichkeit, aus der gedanklichen Negativspirale auszusteigen. Solche Stunden berühren mich jedes Mal wieder. Komm‘ mit in die 9e und lies mehr.

Wenn Schüler:innen herausgefunden haben, wofür sie zur Schule gehen, haben sie allein dadurch schon eine bessere Schulzeit.

#8 Vertrauen und Zutrauen in Schüler:innen

Im Lockdown wurde nicht nur die digitale Lücke deutlich. Auch selbstgesteuertes Lernen war häufig Fehlanzeige. Bisher haben die allermeisten Schulen weder selbstverantwortliches noch selbstgesteuertes Lernen gefördert. Woran liegt das? Die Antwort ist einfach.

Sie hatten nicht die Absicht, dass Kinder diese Fähigkeit entwickeln.

Sonst hätten sie einen Weg gefunden. Was leisten Lehrer:innen, wenn Schüler:innen selbstgesteuert lernen? Sind sie dann überflüssig? Das befürchten viele. Und wer will schon überflüssig sein? 😉 Ausführliche Gedanken habe ich mir im Artikel „Wir brauchen selbstgesteuertes Lernen“ gemacht.

Damit hängt eine weitere wichtige Frage zusammen: Was trauen wir den Kindern und Jugendlichen zu? Besonders denen, die schon vom traditionellen Schulsystem sozialisiert und scheinbar wenig zu motivieren sind?

Ich habe an einer Fortbildung zum ‚Lernen im Team mit eduScrum‘ teilgenommen und war sofort begeistert. Mit dieser Methode kommen wir der Selbststeuerung einen großen Schritt näher. Alles Wissenswerte dazu liest du in meinem Blogartikel zu eduScrum.

#9 Gehirngerecht lernen heißt selbstverantwortlich lernen

Wenn wir diese Punkte umsetzen, können wir Antworten auf die Frage finden: Was funktioniert wirklich für Potentialentfaltung?

Für mich war das gehirngerechte Lernen nach Vera F. Birkenbihl die Entdeckung. Sie hat sowohl gehirngerechte Tools für das Lernen allgemein als auch für das Sprachenlernen entwickelt.

Die vier Schritte der Sprachenlernmethode funktionieren wunderbar. Sie machen meinen Lateinunterricht endlich zu einem positiven Erlebnis für alle, weil wir komplett aufs Auswendiglernen verzichten! Wir nutzen dabei die Art und Weise, wie unser Gehirn lernt: assoziativ, im Austausch, kategorisierend und auf Basis positiver Gefühle.

Meinen Erfahrungen zum gehirngerechten Lateinunterricht habe ich eine eigene Kategorie gewidmet. Als Einstiegsartikel empfehle ich dir „Vokabeln und Grammatik – geht’s auch ohne?“.

Im Lockdown kamen die betreffenden Schülerinnen auch ohne meine Anwesenheit gut klar, weil wir selbstverantwortliches Lernen etabliert hatten!

#10 Dem Einzelkämpfertum und Mental Load @work gemeinsam an den Kragen!

Lehrer:innen arbeiten immer noch als Einzelkämpfer. Sie haben eine unendliche gedankliche To-Do-Liste, die auch Mental Workload genannt wird. Sie sind verantwortlich für Planung, Durchführung und Reflexion und können weniger delegieren als andere Führungskräfte.

Frauen sind dabei doppelt belastet, weil sie sowohl die berufliche Liste im Kopf für die Schule führen als auch die private für die Familie zuhause.

Damit wir unseren Beruf dauerhaft inspiriert und gesund ausüben können, müssen wir Verantwortung teilen! Dazu findest du die Kategorie „Zwischenruf: Frau.Mama.Lehrerin“. Lade dir für den Schulalltag die Checkliste mit meinen 10 Ideen gegen Mental Load @work herunter.

Fazit

Ich fasse noch einmal zusammen: Die beziehungsstarke Lernkultur gilt nicht nur für Schüler:innen, sondern auch für Lehrer:innen, Schulleitung und Eltern.

Die Erwachsenen sind verantwortlich für die Beziehungsqualität. Deshalb ist es wichtig, dass sie ihre Standpunkte immer wieder hinterfragen. Dadurch wird ein neues Denken über Macht, Moral, Noten, selbstgesteuertes Lernen und Schule möglich.

Konkrete methodische Umsetzungsideen findest du hier auf dem Blog: z.B. Teamarbeit mit eduScrum und gehirngerechtes Lernen nach Vera F. Birkenbihl.

Wenn du die 10 Schritte für dich oder gemeinsam mit Gleichgesinnten an deiner Schule gehst, stärkst du deine Beziehungen in der Schule. Du erlebst dich als selbstwirksam, was wichtig für deine Gesundheit im Lehrerberuf ist.

Teilst du Verantwortung mit anderen, hast du statt Mental Load endlich wieder einen freien Kopf für neue Ideen.

Welchen Schritt gehst du zuerst? Oder bist du schon unterwegs?

Ein paar Worte zu Förderung, und was wir damit meinen

Individuelle lerntherapeutische Förderung und ihre Abhängigkeit vom pädagogisch / psychologischen Ansatz und von der persönlichen Beziehung zum zu fördernden Kind.

Ende der 1. Klasse: Carlotta verschriftet diktierte Wörter nur rudimentär, z.B. „FET“ für Pferd, „KAS“ für Katze, „KOM“ für kommen oder „SUL“ für Schule. Die anderen Kinder der Klasse schreiben zu dieser Zeit lautgerecht. Viele verwenden dabei bereits erste Rechtschreibmuster: wie –sch-, -pf- oder –tz-, einige beachten auch schon Regelhaftigkeiten, wie die Auslautverhärtung in „Pferd“ oder die Markierung der Vokalkürze in „kommen“.

Carlotta ist in ihrer Entwicklung also deutlich zurück.

 


Was ist zu tun?

  1. In der Schule können sich die beteiligten nicht auf ein Förderkonzept einigen.
    Carlottas Klassenlehrerin möchte Teilleistungen, wie die Buchstabenkenntnis, die Analyse von Wörtern in Einzellaute und das klatschen von Silben üben. Die Lehrerin begründet es mit:Carlotta kann die Lautfolge nicht vollständig in die passenden Buchstaben übersetzen.“
  1. Die Förderlehrerin setzt noch einen Schritt vorher an: „Carlotta hört die Laute in den Wörtern nicht richtig“. Daher möchte die Förderlehrerin erst einmal die grundlegenden senso-motorischen Voraussetzungen sichern. Z.B. Hörübungen zum Erkennen von Geräuschen oder durch den Vergleich von Bildern, die sich nur in wenigen Details unterscheiden.
  2. Carlottas Nachhilfelehrerin meint, dass Carlotta „keinen Sinn darin sieht, lesbar zu schreiben, weil das Schreiben nur der Übung dient“. Sie schlägt vor, ihr Interesse für Musik und Tanz zu nutzen, mit ihr in kindgerechten Sachbüchern zu lesen und sie selbst kleine Geschichten schreiben oder diktieren zu lassen, die dann auch in der Klasse von Carlotta veröffentlicht werden können.
  3. Die Eltern sehen die „Ursache auf der Beziehungsebene“; sie verweisen darauf, dass sichCarlotta von ihren Lehrerinnen nicht anerkannt fühlt, vor allem weil ihre Schreibfehler immer wieder Anlass für abwertende Bemerkungen seien.

Alle 4 Personen wollen Carlotta helfen, aber sie gehen von unterschiedlichen Annahmen über die Gründe für ihre Misserfolge und über Bedingungen für gelingende Lernprozesse aus. Das hat Konsequenzen für die Wahrnehmung von „Abweichungen“ und für die Entwicklung von Fördermaßnahmen.



Auf der Suche nach den Ursachen

 

1. Vorraussetzungs-Ansatz

In manchen psychologischen-neurologischen Theorien werden Kompetenzen als eine Hierarchie von Leistungen interpretiert. Wenn bestimmte Voraussetzungen fehlen, macht es wenig Sinn, so sagt diese Theorie, höhere Fähigkeiten zu vermitteln. Am Schulanfang werden vor allem motorische Fähigkeiten und Wahrnehmungsleistungen als Vorraussetzung gesehen. (Grob- und Feinmotorik, Sehen – für die Buchstaben, Hören – für die Laute und die Merkfähigkeit)

2. Handlungsorientierter Ansatz

Pädagische Studien jedoch zeigen, dass zur Förderung von Lesen, Schreiben, Rechnen gegenstandsbezogene Aufgaben erforderlich sind (handeln und interagieren). Nach diesen Studien wirken sich handlungsorientierte Aufgaben auch positiv auf die allgemeinen Wahrnehmungsfunktionen (auditive Wahrnehmung, visuelle Wahrnehmung) aus. Ebenso solle sich das anfangs ungelenke Schreiben mit der Hand dazu führen, dass sich die Feinmotorik verbessert.  Dabei werden Fehler als Durchgangsstadium in der Entwicklung akzeptiert.

3. Teilleistungsansatz

Andere Modelle interpretieren Kompetenzmängel als die Folge nicht zureichend entwickelter Teilleistungen. Beim Lesen ist das die Buchstabenkenntnis, die Lautanalyse, automatisierte Verfügbarkeit von Häufigkeitswörtern, Sinnverständnis etc. In diesen Modellen wird Förderung als fokussiertes, isoliertes Training dieser einzelnen Leistungen verstanden. Man geht von der Annahme aus, Defizite vorweg zu „reparieren“, ehe dem Kind zugetraut wird, sich Erfolg versprechend mit dem Gegenstand Schriftsprache selbst auseinanderzusetzen.

4. Personenorientierter Konzept

Ein anderer Ansatz besagt, dass Kinder Lesen durch Lesen und Schreiben durch Schreiben lernen. Im Vordergrund dieser Förderung steht die durch individuelle Ziele motivierte Handlung schriftlicher Kommunikation in einem sozialen Kontext. Vom Kritzeln der Kinder angefangen über erste Buchstabenreihungen bis hin zu lautorientierten Schreibübungen werden die Versuche der Kinder als (auf ihrem jeweiligen Entwicklungsstand ) sinnvolle Aktivitäten betrachtet. Förderung bedeutet dann Anregung, Formung und Unterstützung von Aktivitäten und die Hinführung zur erforderlichen Fehlertoleranz. Abweichungen von der Norm werden nicht als Ausdruck einer Schwäche, sondern als phasenweise Vereinfachung der zu bewältigenden Aufgabe durch das Kind selbst gesehen.

Was lernen wir daraus?

Es liegt nahe die vier Ansätze  nach dem Kriterium von richtig oder falsch zu bewerten. Betrachtet man ihre in der Praxis jeweils zu beobachtenden Erfolge und Misserfolge, so erscheint es sinnvoller, sie als alternativ mögliche Zugänge zu Lernproblemen von Kindern zu nutzen, aber auch jede in ihrem Anspruch zu relativieren. Durch verschiede Brillen sieht man die Welt unterschiedlich. Jede Brille (v)erschließt andere Wahrnehmungs- und Handlungsmöglichkeiten.

Insofern schließen sich die Förderkonzepte – trotz aller Unterschiede im theoretischen Ansatz- in der praktischen Anwendung nicht aus. Werden sie miteinander verbunden, kann sich aber ihre Bedeutung verändern, z.B. ist das Üben vom Schriftbild in einer offenen harmonischen Lernatmosphäre sinnvoll und sicher für alle Kinder hilfreich jedoch das isolierte Üben von Rechtschreibregeln ohne persönlichem Bezug und Motivation nicht Wissens fördernd. So kann man die Buchstaben-Laut-Beziehung üben, indem man eine eigene Geschichte entwickelt und sie gemeinsam mit dem Kind aufschreibt oder wenn die Kinder zu eigenen Bildern einzelne Wörter mit Hilfe der Therapeutin und/oder einer Anlauttabelle schreiben.

Aus pädagogischer Sicht stellt die Akzeptanz und Beziehung zu dem Kind die Grundlage dar, sie bildet sozusagen den Rahmen, innerhalb dessen die konkreten Formen der anderen drei Ansätze auszulegen sind. Wenn z.B. zwei Therapeutinnen „dieselbe“ Aufgabe einsetzen, bedeutet sie für die Kinder und damit auch für deren Förderung eben doch nicht dasselbe.

So kann man einen Grundwortschatz , der besonders häufige Wörter für die gängigen Rechtschreibmuster enthält, ebenfalls aus dem eigenen Wortschatz der Kinder aufbauen, die sie dann auf vielfältigste Art und Weise mit der Therapeutin spielerisch üben können.

Förderung ist also keine Technik, die man wie ein Verkaufsprogramm trainieren kann. Wie ihr Potential wirksam wird, hängt von der jeweiligen Haltung der Therapeutin zum Kind ab und von dem didaktisch-pädagogisch-psychologischen Fähigkeiten und Einstellungen.

Lerntherapie-Lernhemmungen

Personenorientierter ganzheitlich – systemischer Ansatz

Der Ansatz, der das Kind als ganzes in den Blick nimmt und fachliche Lernschwierigkeiten auf unbewältigte Probleme in ihrer Lebens- und Lernwelt zurückführt, ist der Grundansatz der Lerntherapie Lernhemmungen. Das richtige Maß von Über- und Unterforderung ist Ausgangspunkt der Lerntherapie. Schon die alten Griechen wussten, dass es beim Lernen nicht darum geht, Fässer zu füllen, sondern Fackeln zu entzünden. Man darf nicht zu viel wollen und muss den Kindern Zeit geben.

Um dies zu ermöglichen wird jedes Kind als einzigartiger Mensch betrachtet, der sein eigenes Lerntempo hat und sein individuelles Arbeitssystem mitbringt. Es geht ums Lernen ohne Druck. Wenn der Schüler anders ist bedeutet das, dass auch der Lerntherapeut anders sein muss. Therapeut und Schüler müssen sich ergänzen. Wichtig ist die gleiche Augenhöhe. Der Therapeut eröffnet dem Kind die Möglichkeit wieder Freude am Lernen zu haben und seinen eigenen Lernweg zu finden; er BEGLEITET und VERTRAUT.

Es geht um eine gleichberechtigte Begegnung von Kindern, Lehrern, Eltern und Therapeut. Es ist ein System, das nur „funktioniert“, wenn alle daran Beteiligten ganzheitlich den Fokus auf die Interessen des Kindes legen.

Das Ziel ist es, in einem angstfreien und anregendem Umfeld individuell angelegte Phasen von Entspannungs- und Spannungszuständen zu erzeugen und zuzulassen, um einen LERNERFOLG zu erreichen.

Kombinierte Teilleistungsstörung, was tun?

Kinder mit einer kombinierten Teilleistungsstörung, was tun?

Das LernPlus-Institut Lernhemmungen bearbeitet kombinierte Teilleistungsstörungen immer im Zusammenhang, da die basalen Fähigkeiten der Kulturtechniken: Lesen, Schreiben und Rechnen die Basis jeder weiteren schulischen Entwicklung ist.

Um sich den „Teufelskreis Lernen“ mit Lernstörungen vorzustellen, ist das Standardwerk von Helga Breuninger zu empfehlen. Der FiL (Fachverband für integrative Lerntherapie) hat eine aktuelle Broschüre zu diesem Thema herausgegeben.

Was bedeutet Komorbidität in Zusammenhang mit einer kombinierten Teilleistungsstörung?

Der Gehirnforscher Lutz Jäncke hat ein großartiges Buch über die Flexibilität des Gehirns geschrieben „Ist unser Gehirn vernünftig“ und er beschreibt die frühe lerntherapeutische Wirksamkeit und die umgekehrte Situation, dass nämlich das Gehirn in den Bereichen sich abbaut, die nicht genutzt werden.

Eigentlich wissen wir alle schon lange, dass eine Persönlichkeit sich nur im systemischen Kontext entwickeln kann. Daher sind die basalen Fähigkeiten der Kulturtechniken :Lesen, Schreiben und Rechnen die Basis jeder weiteren schulischen Entwicklung. Und wir wissen mittlerweile alle, dass eine Teilleistungsstörung oder eine kombinierte Teilleistungsstörung (LRS und Dyskalkulie)  die Kinder emotional stark belastet.

Diese Störungen führen nicht selten zu Lernhemmungen, Lernverweigerungen, psychosomatischen Störungen, bis hin zu Ängsten und Depressionen.

Professor Aster hielt am 16.06.18 einen Vortrag im Klinikum Westend (Kinder- und Jugendpsychiatrie) über den Zusammenhang von Matheangst und Rechenschwäche: „Angst führt unter anderem zu einem geringen Arbeitsgedächtnis und umgekehrt führt ein schlechtes Arbeitsgedächtnis zur Angst. Angst entsteht auch durch Beschämung, z.B. „schlecht zu sein““.

Es gibt keine Gründe, die Kinder erst in der LRS zu entwickeln und danach die Dyskalkulie zu therapieren oder umgekehrt. Im LernPlus folgen wir dem Ansatz einer systemischen Therapie. Um den Kindern mit einer kombiniertenTelleistungsstörung eine relativ zeitnahe, gesunde schulische Entwicklung zu ermöglichen, therapieren wir die Lese-Rechtschreibschwäche und die Matheschwäche gemeinsam.

In der Lerntherapie kann man den Kindern Begleitung zur Selbsthilfe anbieten. Wie kann ein Kind seine auditive und visuelle Wahrnehmung schärfen, wie kann ein Kind seinen inneren Druck und seine Angst loswerden, wie kann ein Kind wieder Spass beim Lernen haben und wie kann ein Kind erfolgreich lernen. Erst wenn diese Hürde genommen wird, kann sich ein Kind mit Wissen auffüllen und selber ins eigenverantwortliche Lernen kommen.

Karin Kaffke-Rusche

Legasthenie: Neues Gen identifiziert

Legasthenie: Neues Gen identifiziert. Ein Beitrag vom Institut Lernplus Lerntherapie Potsdam

Legasthenie: Neues Gen identifiziert

Genetische Einflüsse spielen eine große Rolle bei der Entstehung einer Lese- und Rechtschreibstörung. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat jetzt ein weiteres Gen identifiziert, das in diesen Prozess involviert ist.

Die Legasthenie oder Lese- und Rechtschreibstörung ist eine der häufigsten Teilleistungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Zwischen vier bis zwölf Prozent eines Jahrgangs sind davon betroffen. Das bedeutet: Allein in Deutschland leben rund 3,5 Millionen Legastheniker. Trotz dieser großen Zahl ist das Wissen über die Legasthenie in vielen gesellschaftlichen Bereichen immer noch äußerst gering. Selbst in Schulen werden betroffene Kinder von Lehrkräften oft als dumm oder faul eingestuft und ihre eigentlichen Fähigkeiten nicht erkannt. Dazu trägt vermutlich auch die Tatsache bei, dass eine Legasthenie sich bei den Betroffenen unterschiedlich äußert. Während die Einen mehr oder weniger große Probleme mit der Rechtschreibung haben, tun sich Andere beim Lesen schwer.

Mangelndes Wissen mit fatalen Konsequenzen

Dabei sind Legastheniker nicht dümmer als andere Schüler. Unter ihnen liegt die gleiche Normalverteilung der Intelligenz vor wie bei den anderen Schülern auch, es gibt also weniger begabte, normal begabte und hochbegabte Kinder mit Legasthenie. Sie alle haben „nur“ das Handikap, beim Erlernen der beiden Kulturtechniken Lesen und Schreiben größere Probleme zu haben. Das mangelnde Wissen über Legasthenie hat allerdings fatale Konsequenzen: Betroffene Kinder leiden häufig unter Ausgrenzung und Stigmatisierung, etwa 40 Prozent von ihnen erkranken psychisch. Die Prognose zum Lebenslauf ist gut, wenn schulischer Nachteilsausgleich, schulische Förderung, therapeutische Hilfe und familiäre Unterstützung gewährleistet sind.

„Dabei haben molekulargenetische Untersuchungen schon längst gezeigt, dass genetische Einflüsse zweifellos eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Legasthenie spielen“, sagt Professor Tiemo Grimm. „Ist ein Kind in der Familie von einer Legasthenie betroffen, so sind in gut 40 Prozent der Fälle auch Geschwister oder ein Elternteil betroffen – oder beide“. Grimm ist Humangenetiker und hat bis zu seiner Emeritierung am Institut für Humangenetik im Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) geforscht. Auch jetzt forscht er weiter an den Ursachen der Legasthenie. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Grimm ist selbst Legastheniker; weitere Mitglieder seiner Familie sind ebenfalls davon betroffen.

Ein Gen, das im Gehirn zum Einsatz kommt

Bisher sind über 20 verschiedene Gene beziehungsweise Genorte bekannt, die eine Rolle bei der Entstehung einer Legasthenie spielen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JMU und des Würzburger Universitätsklinikums haben diese Liste jetzt um einen weiteren Eintrag verlängert – gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Forschungseinrichtungen in Deutschland und den USA. In einer gut dokumentierten Familie, in der über vier Generationen hinweg Legasthenie auftritt, haben sie einen neuen Genort auf Chromosom 4q28 nachgewiesen. „Bei den Betroffenen in dieser Familie wurde eine spezifische Nukleotidvariante in einer Sequenz des SPRY1-Gens gefunden, einem Gen, welches im Gehirn exprimiert wird“, sagt Grimm. Diese Sequenzveränderung könnte die Expression des SPRY1-Genproduktes beeinflussen.

Eine direkte Konsequenz oder gar eine Therapie der Lese- und Rechtschreibschwäche ergibt sich aus diesem Forschungsergebnis allerdings nicht. Es handele sich um „Grundlagenforschung“, erklärt der Humangenetiker. Immerhin liefere die Entdeckung ein neues Puzzlestückchen für das Gesamtbild der Vorgänge im Gehirn. „Die Legasthenie entsteht in engem Zusammenhang mit der biologischen Reifung des zentralen Nervensystems, wobei Besonderheiten der auditiven und der visuellen Informationsverarbeitung sowie wahrscheinlich auch der zeitlichen Vorgänge im zentralen Nervensystem eine Rolle spielen“, sagt Grimm.

Die Folge daraus: Bei etwa 60 bis 80 Prozent der Kinder mit Legasthenie bestehen Schwächen in der sogenannten „phonologischen Bewusstheit“ – also der Fähigkeit, lautliche Eigenschaften der Schriftsprache zu erkennen und zu gebrauchen, zum Beispiel die Fähigkeit, den Laut „u“ vom Laut „o“ zu unterscheiden. Von Schwierigkeiten der visuellen Informationsverarbeitung ist hingegen eine Minderheit der Kinder mit Legasthenie betroffen. Ihnen gelingt es in der Regel nicht, einzelne Buchstabenzeichen wie beispielsweise A – u – t – o zu dem Wort „Auto“ zusammenzufügen, wenn sie es alleine mit den Augen versuchen, also lesen.

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Tiemo Grimm, Universität Würzburg, tgrimm@biozentrum.uni-wuerzburg.de


Originalpublikation:

A Novel Locus and Candidate Gene for Familial Developmental Dyslexia on Chromosome 4q”, Tiemo Grimm, Masoud Garshasbi, Lucia Puettmann, Wei Chen, Reinhard Ullmann, Bertram Müller-Myhsok, Eva Klopocki, Lina Herbst, Janina Haug, Lars R. Jensen, Christine Fischer, Markus Nöthen, Kerstin Ludwig, Andreas Warnke, Jürg Ott, Gerd Schulte-Körne, Hans-Hilger Ropers, and Andreas W. Kuss. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48, pp. 478-489. https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000758.

Die Versachlichung des Lernens durch Distanz

Lerntherapie auf Distanz, was bleibt aus der Onlinetherapie im neuen Schuljahr.

Der Blick über den Bildschirm zum Kind, welch ungewohnte Perspektive.

Ich schaue in Kinderzimmer, auf Schreibtische, über das Fenster in den Garten. Ich werde durch die Wohnung getragen und spüre das Leben von Familien. Ich erlebe Normalität und Fremdheit, Nähe und Distanz. Ich erlebe Eltern, die Ihren Kindern das Onlinemeeting einrichten, sich aber nicht zeigen, mich nicht begrüßen oder ein kleines Schwätzchen mit mir halten, aber auch genau das Gegenteil: Rituale der Begrüßung: alle Familienmitglieder winken mir zu, die kleine Schwester, Vater und Mutter und mein Therapiekind. Sehr offen, gestriegelt und gekämmt, abwartend was passieren wird und unglaublich konzentriert. Welch wunderbare Erfahrung!

Ich spüre Wertschätzung und Sicherheit steigt in mir auf…..die Onlinetherapie entwickelt ihre Kraft. Es kommt gerade bei Kindern, die ungern zur Schule gehen, Ruhe beim Lernen brauchen und eher unselbständig lernten, zur positiver Leistungsentwicklung. Sie sitzen stolz und pünktlich vor dem Computer und arbeiten 45 Minuten konzentriert und freudig mit. Ohne Ablenkung, stressfrei, selbstbewusst und ohne Konkurrenz lernen sie.

Was bleibt für diese Kinder, was kann die Lerntherapie aus dieser Erfahrung mit in das neue Schuljahr nehmen?

Das Online Angebot wird im LernPlus weiterhin ein Bestandteil der Arbeit bleiben. Es ersetzt auf keinen Fall langfristig die Präsenztherapie. Viel zu bedeutend ist die direkte Beziehung für das Lernen. Onlinetherapie ist jedoch bei Krankheit, vollem Stundenplan, bei Zeitproblemen jeglicher Art eine gute Alternative. Eine oder zwei Therapiestunden pro Woche sind für Kinder mit Teilleistungsstörungen (LRS und/oder Dyskalkulie) eine gute Hilfe ihren Weg zum Lernen zu finden.

Die Schule und das Lernen mit Freude zu besetzen, sich selbständig mit dem Lernen auseinanderzusetzen und mit seinen Möglichkeiten und Ressourcen zu lernen, ist Ziel der Lerntherapie. Die Onlinetherapie kann ihren Teil zum Lernerfolg beitragen. Jedes Kind ist anders und jedes Kind lernt anders und aus der Erfahrung der Onlinetherapie kann ich für meine lerntherapeutische Arbeit sagen, dass es Kindern in der lerntherapeutischen Distanz gut gehen kann, da ihr Selbstwert durch dieses Medium gestärkt wird, sie selbstbewusst und freier Lernen lernen, die Versachlichung des Lernens auf Distanz.

Die online-Therapie führte bei mir und den Kindern zu einer neuen, erweiterten Wahrnehmung, so dass ich diesen Weg weiterhin nutzen werde, wenn das Kind durch diese zeitweise, distanzierte Form der Therapie gestärkt wird.

Kraftvolles Lernen lernen im LernPlus

Kraftvolles Lernen lernen im LernPlus (hemmungslos Lernen)

Schon die alten Griechen wussten, dass es beim Lernen nicht darum geht Fässer zu füllen, sondern Fackeln zu entzünden.

Sie wünschen sich, dass ihr Kind

kraftvoll  lernt – motiviert ist, etwas Schwieriges zu schaffen, sich selbst zu überflügeln, mit anderen zu wetteifern und sie zu übertreffen?

Sie wissen, dass ihr Kind Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben oder Rechnen hat und wissen nicht, wie sie ihm die Grundlagen beibringen sollen? Auch die Schule ist ratlos?

Kinder und Jugendliche mit Lernhemmungen  (Legasthenie / Dyskalkulie) schaffen es nicht, den Anforderungen der Schule Stand zu halten, sie reagieren häufig mit Verweigerungen, Rückzug, Aggressionen und psychosomatischen Begleiterscheinungen wie Ängsten, Schlafstörungen, Magenproblemen, Kopfschmerzen etc..

Diese Kinder und Jugendlichen erleben die Bewertung ihrer Leistung und die Reaktion der Umwelt ( z.B. „welche Zensur hast du geschrieben“) als Ausgrenzung oder Strafe. Sie wissen nicht, wie sie erfolgreich lernen können. (Rudolf Kretschmann 2010 „Motivation ist das Produkt aus der Attraktivität des Ziels und der Einschätzung der Erreichbarkeit).

Ihre „Schulproblematik“ verfestigt sich und wird nicht selten zum beherrschenden und alles andere überlagernden Thema in der Familie und im Leben des Kindes/Jugendlichen überhaupt, nicht zuletzt deshalb, weil der Erfolg/Misserfolg in diesem Bereich tatsächlich entscheidende Auswirkungen auf die Zukunft und das spätere Leben hat. Sie befinden sich in einem Teufelskreis

und sind nicht in der Lage, ohne Hilfe und pädagogisch-psychologischer Begleitung diesen negativen Kreislauf zu durchbrechen.

Diesen Kindern und Jugendlichen Lernwege aufzuzeigen, sie Schritt für Schritt in ihrer Entwicklung vorwärts zu bringen, ihre Auffälligkeiten als Signal zu deuten, sie ihre starken Seiten erleben zu lassen und sie da abzuholen, wo sie in der momentanen Situation stehen, das ist der Weg meiner lerntherapeutischen Begleitung.

Nehmen wir uns ein Beispiel und werfen wir einen Blick auf Lesestörungen. Ein Schwerpunkt in der Forschung liegt auch auf der Analyse der Blickbewegungen von Personen mit Leseschwierigkeiten. Als Ursache der Lese- Rechtschreibstörung wurden unter anderem auch Störungen der Blick- und Wahrnehmungsfunktion erkannt.

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie anders sich die Blickbewegungen  guter und schlechter Leser verhalten? Die Augenbewegungen beim Lesen bestehen aus einem rhythmischen Vorgang: Die Augen springen zum nächsten Wort oder Wortgruppe, verharren dort und springen weiter zum nächsten Leseziel. Die Blickbewegungsmuster bei Kindern mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten sind gekennzeichnet durch häufige Fixationen, lange Fixationen, gegen die Leserichtung lesen und ihre Blickbewegungssprünge sind enger. (Wissenschaftliche Erkenntnisse werden aktuell an der Humboldt- Universität erarbeitet). Diese Kinder können nur mit professionellem Training erfolgreich lesen lernen.

Das bedeutet für meine lerntherapeutische Arbeit mit Kindern mit Lesestörungen, einen Text in Segmente mit höchstens 5 Buchstaben zu gliedern und die Fixationen des Blickes mit einer Farbhervorhebung zu steuern. Jedes Wortsegment wird auf diese Weise so lange separiert, bis es richtig erkannt wird usw..(Arbeitsmaterial Celeco Reinhard Wertheim).

Das Institut LernPlus ist geprägt durch seinen personenorientierten ganzheitlich- systemischen Ansatz. Die lerntherapeutische Arbeit erfolgt in Auseinandersetzung mit dem Lernstand des Kindes und ist abgestimmt auf seine Bedürfnisse und Fähigkeiten.Die enge Zusammenarbeit mit den Eltern und der Schule sind Voraussetzungen der therapeutischen Förderung.

Um dies zu ermöglichen wird jedes Kind als einzigartiger Mensch betrachtet, der sein eigenes Lerntempo hat und sein individuelles Arbeitssystem mitbringt. Es setzt an den Fähigkeiten, Kräften und Ressourcen an und stärkt so das Selbstwertgefühl und Vertrauen. Die Basis ist die klärende Selbsterfahrung im Lernprozess und das Erkennen der eigenen Kräfte, die wiederum die Grundlage für ein kraftvolles, selbstbestimmtes, motiviertes Lernen ist.